Dem Universalismus verpflichtet

Ein Nachruf auf Micha Brumlik (10. Juli 1947 – 10. November 2025)

Die digitalisierte Mediengesellschaft hat die Rolle des öffentlichen Intellektuellen tiefgreifend verändert. Der Sozialphilosoph Habermas nennt als Grund dafür, den Aura-Verlust, d.h. das Abhandengekommensein der Kraft, noch einen Fokus bilden zu können. Micha Brumlik war einer der letzten hohen Repräsentanten dieser aussterbenden Gattung. Er mischte sich ein, ohne sich aber gleichsam in „diskursivem Schongang“ über Gott und die Welt zu verbreiten. Seine Stimme hatte Gewicht, er setzte Schwer-punkte. Es gab eine Zeitlang kaum eine geschichtspolitische Debatte, an der Brumlik nicht als wortgewaltiger Kritiker und Ratgeber in Erscheinung getreten wäre. So während der Auseinandersetzungen um das antisemitisch an-gehauchte Fassbinder-Stück „Die Stadt, der Müll und der Tod“ Mitte der 1980er Jahre am Schauspiel Frankfurt, um das Holocaust-Mahnmal in Berlin Ende der 1990er Jahre bis hin zum documenta-Skandal in Kassel 2023.

weiterlesen….

Micha Brumlik bei der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille (2016)

Notizen von der Querfront (Oktober – November ´25)

Tomahawks? – was sonst!
Eine Erinnerung an Richard Herzinger (28.11.1955 – 15.10.2025)

Der Schein trog. Er wirkte auf den ersten Blick eher wie eine kauzige Gestalt, mit der man lieber nicht aneinandergeraten wollte. Richard Herzinger war aber eine hochsensible Figur mit feinem Gespür für die jeweilige Situation. Die essayistische Edelfeder verband analytischen Scharfsinn mit stilsicherer Formulierungskunst. Als Liberaler Dahrendorfscher Prägung – d.h. ohne den gängigen Bindestrich „links“ oder „rechts“, „Wirtschafts-“ oder „Bürgerrechtsliberaler“ – war er gefeit vor Ausschlägen nach rechts. Und nach links ohnehin, seit er seiner trotzkistischen Studentendenke abgeschworen hatte.

weiterlesen…

Richard Herzinger 2019 auf einer Veranstaltung zum 80. Geburtstag des Historikers Heinrich August Winkler.
Daneben Ex-Bundespräsident Joachim Gauck und Norbert Seitz.

Sachbücher des Monats Dezember 2025

Literarische Welt / WDR 5 / Neue Zürcher Zeitung / ORF-Radio Österreich 1

1. Sigmund Freud
Dich so zu haben, wie Du bist. Die Brautbriefe, Band 5, herausgegeben von Gerhard Fichtner, Ilse Grubrich-Simitis und Albrecht Hirschmüller, S. Fischer Verlag. 716 Seiten, € 78,00

2. Sven Beckert
Kapitalismus. Geschichte einer Weltrevolution. Übersetzt von Helmut Dierlamm, Werner Roller, Sigrid Schmid und Thomas Stauder, Rowohlt Verlag, 1279 Seiten, € 42,00

3. Gabriel Zuchtriegel
Pompejis letzter Sommer. Als die Götter die Welt verließen, Propyläen Verlag, 320 Seiten, € 33,00

weitere Platzierungen…

Sachbücher des Monats November 2025

Literarische Welt / WDR 5 / Neue Zürcher Zeitung / ORF-Radio Österreich 1

1. Carolin Amlinger / Oliver Nachtwey
Zerstörungslust. Elemente des demokratischen Faschismus, Suhrkamp Verlag, 453 Seiten, € 30,00

2. Manfred Pfister
Englische Renaissance. Shakespeare & Company, Verlag Galiani Berlin, 478 Seiten im Großformat, € 98,00

3. Grit Straßenberger
Die Denkerin. Hannah Arendt und ihr Jahrhundert, C. H. Beck Verlag, 528 Seiten, € 34,00

weitere Platzierungen…

Leserbrief aus der F.A.Z.

Leserbrief in der F.A.Z. vom 28. Oktober

Nichts über den Kopf der Polen

Zu „Schröders Welt“ vom 18. Oktober

Das skandalöse Statement des Ex-Kanzlers vor dem Schweriner Untersuchungsausschuss, polnische Einwände gegen die Gaspipeline durch die Ostsee hätten ihn nicht interessiert, schaden nicht nur den ohnehin komplizierten Beziehungen zu unseren Nachbarn jenseits von Oder und Neiße, sie stellen auch einen eklatanten Bruch mit einer Faustregel der Ost- und Entspannungspolitik dar, wie sie einst von Willy Brandt formuliert wurde, als er der Ostverträge wegen zuerst in Moskau verhandeln musste: “Nie wieder eine Politik über Polen hinweg“. Für den Historiker Bernd Rother von der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung steht fest, dass diese Leitlinie bei Nordstream überschritten wurde: “Das war eine Politik über Polen hinweg“ (Deutschlandfunk, 2022).

weiterlesen….

Gedicht „Sommerloch“

Sommerloch

Wadephul und Woltemade
Woltemade Wadephul.
Woltephul und Wademade
Wadewolte Madephul.
Madewolte Woltewade
Madewade Woltephul.
Wolte, phul` mich mal am Wade
Made, wolt` mich mal am Phul.

Notizen von der Querfront (August ´25)

Die Brandmauerstürmer:in

Eine erste Annäherung findet unter dem Titel „Offener Umgang“ statt. Sie ist demokratisch aufgeplustert und verurteilt die AfD-Verbotsdebatten in der „bankrotten Mitte“ des politischen Spektrums. Oder die geschlossene Ablehnung von Abgeordneten der AfD im Deutschen Bundestag bei der Besetzung des Bundestagsvizepräsidenten oder von Ausschussvorsitzenden. Wagenknecht betont immer wieder, die Brandmauer zur AfD einreißen zu wollen. Abschottungsmanöver stärkten nur die Ausgegrenzten. Woraufhin Tino Chrupalla, Co-Chef der Rechten, frohlockte: endlich werde über das geredet, „was Deutschland bewegt und wie man Mehrheiten verändern kann.„ Wie wohl? Indem man gegen die Parteien der Mitte neue Mehrheiten im populistischen Lager schmiedet.

weiterlesen…

Foto: Arne Dedert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Notizen von der Querfront (Juli `25)

Putins Trottel

Was geht in den Köpfen und Herzen von Appeasern vor sich, die ungeachtet der täglichen Gräuel gegenüber der ukrainischen Zivilbevölkerung die Eröffnung „guter Beziehungen“ mit einem massenmörderischen Terrorregime immer noch als vorrangige Herzensangelegenheit zu betrachten scheinen: „Gemeinsame Sicherheit“ statt „Sicherheit vor Russland“!

weiterlesen…

Foto: Arne Dedert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Notizen von der Querfront (Juni `25)

Opfergang

Das Landgericht Berlin II hat der BSW-Gründerin per einstweiliger Verfügung untersagt, dem Meinungsforschungsinstitut Forsa zu unterstellen, mit der 3 Prozent-Prognose 48 Stunden vor dem Urnengang vom 23. Februar eine „gezielte Aktion zur Manipulation von Wahlverhalten“ gestartet zu haben. Die Forsa-Leute seien „Wiederholungstäter“, die über „absurde Erhebungsmethoden“ zu „Fantasiezahlen“ gelangten, schimpfte Wagenknecht.

weiterlesen…

Foto: Arne Dedert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Sachbücher des Monats Juni 2025

Literarische Welt / WDR 5 / Neue Zürcher Zeitung / ORF-Radio Österreich 1

1. Christina von Braun / Tilo Held
Kampf ums Unbewußte. Eine Gesellschaft auf der Couch, Aufbau Verlag, 730 Seiten, € 34,00

2. Wolfgang Benz
Zukunft der Erinnerung. Das deutsche Erbe und die kommende Generation, Deutscher Taschenbuch-Verlag (dtv), 237 Seiten, € 20,00

3. Douglas Rushkoff
Survival oft he Richest. Warum wir vor den Tech-Milliardären nicht einmal auf dem Mars sicher sind. Übersetzt von Stephan Gebauer, Suhrkamp Verlag, 282 Seiten, € 22,70

weitere Platzierungen…

Der Bundesliga-Kommentar

Flos Flucht an die Anfield Road

Ein Aufatmen geht durch die deutsche Fußball-Szene, wenn nicht gar ein unüberhörbarer Schrei von Schadenfreude. Ein ganzes Jahr yachteten die Bayern-Bosse Hoeness & Rummenigge und ihre medialen Vasallen von BILD, FOCUS u.a. hinter ihm her, dem Leverkusener Juwel Florian Wirtz. Selbst der KICKER nannte die Jagd auf das Weltklasse-Talent „penetrant“, die F.A.Z. sah mangelnde Seriosität im Spiel, denn jeden Tag wurde eine neue Trendente durchs Netz gejagt.

weiterlesen…

Notizen von der Querfront (Mai ’25)

Der 8. Mai

Wie mogelten sich die Querfront-Parteien durch den 80. Jahrestag des 8. Mai? Die als „gesichert rechtsextremistisch eingestufte“ AfD war während der Feierstunden vor eine schier unlösbare Aufgabe gestellt: Einerseits durfte die ‚Partei mit dem „Vogelschiss“‘ den Tag nicht als ‚Befreiung‘ begehen, versucht sie doch seit Jahren das historische Datum als kolossale nationale ‚Niederlage‘ nach Lesart vor Weizsäcker `85 rückabzuwickeln.

weiterlesen…

Foto: Arne Dedert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Sachbücher des Monats Mai 2025

Literarische Welt / WDR 5 / Neue Zürcher Zeitung / ORF-Radio Österreich 1

1. Lothar Müller
Die Feuerschrift. Giacomo Casanova und das Ende des alten Europa, Verlag Klaus Wagenbach, 270 Seiten, € 28,00

2. Thomas Nagel
Moralische Gefühle, moralische Wirklichkeit, moralischer Fortschritt. Übersetzt von Karin Wördemann, Suhrkamp Verlag, 111 Seiten, € 23,00

3. Alena Buyx
Leben & Sterben. Die grossen Fragen ethisch entscheiden, S. Fischer Verlag, 303 Seiten, € 24,00

weitere Platzierungen…

Notizen von der Querfront (April ´25)

Showdown in Erfurt

78 Prozent sehen nach einer Befragung des Politbarometers der Forschungsgruppe Wahlen für das BSW keine Zukunft mehr in der deutschen Politik. Nur 14 Prozent glauben dagegen noch an Putins Statthalterin in der Ex-DDR. Derweil spitzt sich der Machtkampf zwischen der mitregierenden Thüringer BSW-Führung und der Kaderzentrale in Berlin und an der Saar zu.

weiterlesen…

Foto: Arne Dedert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der Fußball-Kommentar

30.03.2025

Flo und die Rasenkupplerin

„Was müsste der FC Bayern machen, um ihn zu holen?“ Diese nassforsche Frage der ZDF-Sportchefin Katrin Müller-Hohenstein, gemünzt auf Florian Wirtz von Bayer Leverkusen, hat manchen Zuschauer des Aktuellen Sportstudios jüngst (v. 15.03.) aus dem Sessel gehauen. Gerichtet war sie an Joshua Kimmich, den Nationalmannschaftskapitän, dem die langjährige ZDF-Sportchefin glaubte ein Ständchen zu seiner Vertragsverlängerung gönnen zu sollen. Vertragsverlängerung? Welch ein Event! Es ging heimelig dabei fast zu wie zu Weihnachten.

weiterlesen…

Notizen von der Querfront (März ´25)

Im nächsten Bundestag formiert sich die Querfront neu. Mit der AfD und der wiederauferstandenen Linken – ohne Wagenknecht, aber wei-terhin vereint für das Terrorregime in Russland und gegen die „kriegs-lüsterne“ NATO.
So organisierte die Linke Wetterau – das liegt in Hessen! – jüngst einen Abend mit der unentwegten Kreml-Trommlerin Gabriele Krone-Schmalz. Vierhundert Menschen kamen und waren nach örtlichen Schilderungen begeistert vom Vortrag der früheren ARD-Moskau-Korrespondentin, die Erklärungen sucht für ihre gigantische Fehlein-schätzung von 2022, dass Putins Großmanöver an der ukrainischen Grenze nicht als Vorbereitung eines Überfalls zu werten gewesen sei. Der Westen habe die einmalige Chance verpasst, einen von Hause aus verträglichen Wladimir Putin als friedliebenden Partner zu gewinnen.

weiterlesen…

Foto: Arne Dedert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Notizen von der Querfront (Februar ´25)

Das Querfront-Festival

Ein wahres Querfront-Festival ereignete sich am Ende der zweiten Januar-Woche. In Erfurt und Bonn hielten Weidel und Wagenknecht ihre Wahlkongresse ab. Den Höhepunkt lieferten Weidel mit ihrem „Nieder, nieder!“- Aufruf gegen die „Windräder der Schande“, und die Anti-Nato-Propagandistin Sevim Dagdelen vom BSW mit ihrem  marktschreierischen „Ami, go home!“

weiterlesen…

Foto: Arne Dedert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++